Die Knoten des Herzens
Wenn alle Knoten des Herzens vollständig gelöst sind,
dann ist der Sterbliche unsterblich.
Das ist das ganze Teaching.
Katha Upanishad 6/15
Was ist gemeint mit „wenn alle Knoten des Herzens vollständig gelöst sind“?
Vom Symptom zur Ursache
Das Vedanta zeigt uns, dass alle „Knoten des Herzens“, d.h. Schwierigkeiten, Probleme und Herausforderungen, die wir im Leben erfahren, Symptome einer tieferen Ursache sind. Ähnlich wie Fieber im Körper ein Symptom für eine tieferliegende Ursache ist. Wenn wir dann nur das Symptom „Fieber“ behandeln, bleibt die Ursache unentdeckt und wirkt im Körper weiter.
Wenn wir offen sind und die Sehnsucht nach einem freieren und erfüllteren Leben da ist, zeigt uns das Vedanta, dass unsere Schwierigkeiten, Probleme und Ungereimtheiten ein Symptom einer tieferliegende Ursache sind: Die Unwissenheit (Avidya) über unsere wahre Natur: unser innerstes, unbegrenztes, universales Selbst.
So wie die Sonne die Dunkelheit vertreibt, lichtet das Wissen des Vedanta die Unwissenheit über unsere wahre, unsterbliche Natur. Dies löst den Erwachensprozess aus, der vom getrennten, gebundenen, abhängigen Ich (Ego) zum ungebundenen, unabhängigen, unsterblichen, universellen Selbst führt.
Es beginnt sich eine komplett neue Sicht- und Daseinsweise zu zeigen. Es ist die Entfaltung von der getrennten, egozentrierten Sichtweise zum Schauen der Einheit. Dieses Schauen ist nicht mehr egozentriert, sondern führt dazu, zum Wohl des Ganzen zu handeln und zu dienen.
Wie Laotse sagte:
Was für die Raupe das Ende der Welt,
ist für den Rest der Welt ein Schmetterling.
Der Erwachensprozess ist die Loslösung von all den Knoten, die wir aus Unwissenheit „verknotet“ haben und daher verschiedene Formen von Leiden, Begrenztheit, Gebundenheit und Getrennt-sein von der Welt erfahren.
Das Vedanta zeigt uns, dass Unwissenheit über unsere wahre Natur der Knoten ist, durch den wir uns mit dem Körper-Mind-Komplex (Jiva) assoziieren. Das wahre Selbst (Atma) und das Nicht-Selbst (Anatma) sind zusammen geknotet. Dadurch erfahren wir uns als sterbliche, begrenzte Wesen und fühlen uns getrennt von der Welt. Durch das Erfüllen unserer mannigfaltigen Wünsche versuchen wir diese Trennung zu überwinden. Dies gelingt uns immer wieder und wir fühlen uns eine Zeit lang wohl und glücklich. Diese Gefühle halten jedoch nicht lange an. Dann tauchen neue Wünsche und Bedürfnisse auf.
Das Rad des Werdens – Samsara
Im Vedanta nennen wir dies das Rad des Werdens – das Rad des Samsara. Angetrieben durch unsere Wünsche arbeiten wir auf die nächste Wunscherfüllung hin. Dadurch sind wir zukunftsorientiert und zeitgebunden. Wir sind also nicht „human beings“ (Mensch-Seiende) sondern „human becomings“ (Mensch-Werdende)!
Die Knoten des Herzens lösen
Die Knoten lösen sich, wenn die Identifikation mit dem Körper-Mind-Komplex, dem individuellen, begrenzten, getrennten Ich, dem Ego (Jiva), abnimmt. Anstatt vom getrennten Ich her zu schauen und zu handeln, kann das unbegrenzte Selbst – das wahre Herz – erkannt werden. Sich dem wahren Herzen mehr und mehr bewusst zu werden löst tiefe Entspannung, inneren Frieden und grundlose Freude aus. Die Impulse zum Handeln werden weniger durch das Ego gefiltert und können sich direkt zum Wohle des Ganzen ausdrücken.
So wird eine neue Frische und Vitalität erfahren. Die Lebensenergie kann sich frei aus dem Moment zum Wohl des Ganzen ausdrücken. Du wachst auf und erkennst, dass das, was Du wirklich bist, unsterblich ist. Und dass die „Knoten des Herzens“ in Wahrheit nie da waren!
Dies ist eine vereinfachte Erläuterung des obigen Verses. Alle Schriften des Vedanta klären und vertiefen auf unterschiedliche Weise den Weg in die unveränderliche Wirklichkeit, die Du in Wahrheit BIST.
Impuls
Erlaube Dir heute, Dich immer wieder zu öffnen, zu entspannen und zu weiten in das unbegrenzte Selbst.
Werde still und leer und lass Dich inspirieren, was durch Dich gerade jetzt in die Welt fliessen will – spontan, frei, liebevoll und direkt.
Lass Dich überraschen, was dann geschieht…
Unterstützendes Gebet
Lasst uns erkennen, dass dieses menschliche Leben eine Reise ist:
om asato mā sad-gamaya
Von der bekannten, materiellen, sich ständig verändernden, wahrnehmbaren Welt zur Weisheit der unveränderlichen Wirklichkeit.
tamaso mā jyotir-gamaya
Vom unwissenden Individuum zum Entdecken und Erkennen des Lichtes dieses Lebens.
mṛtyor-mā amṛtaṁ gamaya
Von der Sichtweise des sterblichen Lebens zur Sichtweise des ungetrennten, unsterblichen Lebens.
om śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ